Herr Prof. Dr. Hermann Knoflacher ist Zivilingenieur und Professor emeritus am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Wien. Er schreibt regelmäßig für die Zeitschrift Die Ganze Woche wo er in seiner Kolumne „Umwelt“ zu aktuellen Themen Stellung nimmt. Hier erschien auch der nachfolgende Text in der Ausgabe 34/12 auf Seite 6, dessen Veröffentlichung uns der Verlag dankenswerterweise erlaubt hat.

Umfahrungsdesaster


Einer meiner ersten Dissertanten konnte schon zu Beginn der 70er Jahre nachweisen, dass der Bau von Umfahrungen den Ortschaften keine Vorteile, sondern Nachteile gebracht hatte. Abgesehen von den wirtschaftlichen Schäden im Ort kam es nicht zu den erwarteten Entlastungen und an die neuen Umfahrungen wurden rasch wieder Häuser angesiedelt. Und so wurden viele teure Umfahrungen nach wenigen Jahren wieder verbaut und eine neue wurde gefordert, mit der die lokale Wirtschaft weiter ruiniert, die Menschen ihre lokalen Arbeitsplätze verloren und zu Pendlern gemacht wurden. Auf diese Weise haben unqualifiziert ausgebildete Planer dazu beigetragen, die ländlichen Räume und auch die Städte zu zerstören.

In der Zwischenzeit wurde erkannt, dass Umfahrungen keine Verkehrsprobleme lösen, sondern sie nur noch vergrößern. Es gibt aber immer noch Teile der Bevölkerung, die sich eine Entlastung von Umfahrungsstraßen erwarten. Dieser Glaube ist eine Illusion, vergleichbar mit einer medizinischen Behandlung eines schmerzenden Armes, der abgeschnitten wird, um die Schmerzen los zu werden, anstatt ihn zu heilen. Das dauert länger und ist schwieriger. Die Umfahrung schneidet auch die Geschäfte und Betriebe im Ort von den Kunden ab. Und so wie beim Körper wächst das nicht mehr nach. Aber diese Einsicht kommt immer zu spät. Es gibt heute weltweit genügend Material, das diese Fehler dokumentiert. Die qualifizierte Fachwelt ist längst davon abgekommen, Verkehrsprobleme durch neue Fahrbahnen zu lösen. Sie werden auf der Durchfahrt mit Tempo 30 gelöst, Lärm und Abgase werden damit reduziert, das Ortsbild wird aufgewertet und die negativen Folgen für die Wirtschaft werden vermieden. Der langsame Autoverkehr bleibt leichter stehen.

Heute sind die Betreiber der Umfahrungen nicht nur ignorante Techniker, sondern auch die internationalen Konzerne, die mit diesen Fahrbahnen das Geld aus den Ortschaften saugen. Sie sitzen daher auch nicht mehr im Ort, sondern am Rande, zum Unterschied der integrierten, sozialisierten lokalen Betriebe. Wer daher heute noch Umfahrungen baut, handelt gegen die lokale Wirtschaft und die Menschen im Ort, will die lokalen Betriebe schädigen und die Menschen in die Abhängigkeit von Konzernen zwingen.